Langeweile – warum sie für Kinder wichtig ist

Malen, Turnen, musikalische Früherziehung – auf dem Wochenplan unserer Kinder findet sich kaum noch eine Lücke.
Wenn mal eine Aktivität ausfällt, wissen die Kleinen nichts mehr mit sich anzufangen. Mama versucht dann, ihr Kind abzulenken und bei Laune zu halten.
Doch tun wir unseren Kindern damit wirklich einen Gefallen?

So lautete der gewünschte Themenabend für Tagespflegepersonen aus Neunkirchen-Seelscheid, Much, Winterscheid und Ruppichteroth den das Familienzentrum in Zusammenarbeit mit der Familienbildungsstätte des DRK am 26.05.2021 online anbot. Frau Sylwia Bocianski führte uns als Referentin durch das Thema.

„Mir ist sooo langweilig!“ – Diese Problematik sahen die Tagespflegepersonen zunächst nicht für ihre Tageskinder, die im Alter von 1 bis 2 Jahre sind. Die Tageskinder finden immer etwas zum Spielen oder zu entdecken. Eine anregende Umgebung, eine verlässliche Bezugsperson und Spielfreunde sind wichtige Vorraussetzungen dafür, dass sich das Kind alleine beschäftigt. Kinder brauchen Spielsachen und Gegenstände, die Wiederholungen und Veränderungen zu lassen. Wiederholungen geben Sicherheit und ermöglichen, die Welt zu begreifen. Veränderungen stillen die Neugier und helfen, komplexere Zusammenhänge zu verstehen.
So berichteten die Tagesmütter, dass gerade ihre Kinder sich mit leeren Kartons, Tüchern oder wertfreien Materialien am kreativsten und intensivsten beschäftigen.

Dennoch, und insbesondere für die älteren Kinder ist das Thema Langeweile existent und sollte Beachtung finden.
Die Referentin gab einen Überblick über die wichtigsten Aspekte in diesem Zusamenhang:

  • Langeweile ist förderlich für die Entwicklung des Kindes
  • Wenn die „Großen“ ihnen nicht vorgeben, womit sie sich beschäftigen sollen, dann sucht das Kind selber nach Möglichkeiten sich die Zeit zu vertreiben. Dies fördert nicht nur die Kreativität, sondern auch die Selbstständigkeit.
  • Die sicherlich schwerste Herausforderung für Eltern ist es, die Langeweile der Kinder auszuhalten, ohne gleich ein Angebot zu machen oder die Kinder zu bespaßen.
  • Die besten Spielideen entwickeln sich aus der Langeweile heraus.
  • Eltern sollten den Terminkalender ihrer Kinder möglichst reduzieren. Anstatt den Tagesablauf mit besonderen Aktivitäten anzufüllen, sollte eher den alltäglichen Prozessen viel Aufmerksamkeit geschenkt werden.
  • Gerade im Alltag erfahren die Kinder vielfältige Bildungsprozesse.

Wenn Kinder ständig formulieren, ihnen sei so langweilig, kann dies in zwei Richtungen gedeutet werden:

  • Einerseits eine verdeckte Botschaft an die Eltern sich mehr mit ihrem Kind zu beschäftigen und in ihre Welt einzutauchen, um gemeinsam Zeit zu verbringen
  • Andererseits kann dies einen Hilferuf darstellen bei Kindern, wo alles verplant ist, oder bei denen keine Alltagsstrukturen existieren und die nicht wissen, woran sie sind oder sich allein gelassen fühlen.

Die Referentin hob besonders ein afrikanisches Sprichwort hervor, das wichtig für die Erziehung der Kinder ist: „Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!“
Erziehung bedeutet, den Kindern Raum und die Zeit zu geben, um zu wachsen und sich zu entwickeln. Entschleunigung ist das Gebot der Stunde, nicht Beschleunigung.

Kinder haben ihr eigenes Tempo. Sie wachsen im Rahmen ihrer individuellen Bedürfnisse auf.
Fühlt sich ein Kind in Beziehungen aufgehoben, dann ist Langeweile für die Persönlichkeitsentwicklung ausgesprochen wichtig. Sie stellt eine Zeit dar, die dem Kind allein gehört. Deshalb reagieren größere Kinder so vehement, wenn ihnen vorgeworfen wird, dass sie sich langweilen. Einen solchen Satz deutet das Kind als Eingriff in seinen Wunsch nach Autonomie.

Wir danken der Frau Bocianski für diesen interessanten und anregenden Abend.

Carmen Glaser